Die "Mount Ochi" Story |
Ich berichte hier von meinem zweiten Versuch den Mount Ochi zu erklimmen. Bei meinem ersten kläglichen Versuch lernte ich, dass man diesen Berg nicht mal eben auf vier Stunden besteigt und bin 5km vor dem Gipfel umgedreht, weil ich viel zu spät losgegangen bin. Mit Blasen an beiden Füßen und konditionell am Ende, kam ich erschöpf am Schiff an. Der Mount Ochi ist mit 1398m der höchste Berg auf der griechischen Insel Evia. Wir sind gerade in Karystos, der Stadt am Fuße des Mt. Ochi, östlich von Athen, am südlichsten Ende der Insel Evia. Von unserem Schiff bis zum Gipfel sind es 12 km.... |
Die Besteigung:
Ich am ersten Tag der Besteigung bereits die ersten 5 Kilometer bis Myli aufgestiegen, das letzte Dorf, 7km vor dem Gipfel. Abendessen gab es an einem bezaubernden Platz in der Ortsmitte unter alten Platanen. Der Biergarten wurde über den Bach gebaut, herrlich!
In eben diesem Bachbett, etwas weiter oberhalb des Ortes, habe ich übernachtet. Den Schlafsack im Sand unter einer Platane ausgebreitet. Wegen des herrschenden Meltemi (Starker Wind aus Nord) und den Fallböen die damit vom Berg sausten, waren nicht mehr als 4-5 Stunden Schlaf zu finden. Aber der Sternenhimmel dafür sehr gut zu sehen und der Meltemi, welcher über mir ins Tal gerauscht ist war beeindruckend.
Um 7.30 Uhr werde ich dann von Stimmen geweckt, Wanderer die auf dem Weg über mir vorbeigehen. Frühstück ohne Kaffe und los. Immer den roten Wegmarkierungen nach, oder den kleinen Häufchen aus Steinen, die Wanderer hier über die Jahre in regelmäßigen Abständen neben den Wegen aufgebaut haben, so dass man sich nicht verlaufen kann.
Da ich so früh los bin, liegt ein Großteil des Weges noch im Schatten, dann blitzt die Sonne (griechisch: Ilios) über den Berg. Den Gipfel des Ochi sieht man während des ganzen Aufstieges nicht. Er versteckt sich hinter einem ihm vorgelagerten Berg. Ich habe ihn immer vom Karystos Boatyard aus gesehen, von wo er eine magische Anziehung auf mich hatte mit seiner markanten Form. Meist liegt er in diesen Tagen in den Wolken, auch heute.
Lange treffe ich niemanden, ausser Ziegen, und irgendwann dann auch deren Hirt. Ganz dünn ist er, dass bleibt wohl nicht aus bei dem Job denke ich. Die dünnen Beine stecken in kurzen Hosen. Ich trage lange, weil die Pflanzen hier, zum Schutz vor den Ziegen, fast allesamt extrem stachelig sind. Zwei gelbe Zähne und ein strahlendes, freundliches, wettergegerbtes Gesicht, ein Auge halb zu, erinnert der Hirt mich ein bisschen an die Straßenkater hier. Wir verstehen uns nicht, abgesehen vom obligatorischen „Ti kanis?“ „Kala! Esi?“ (Wie geht´s - gut! und dir?) und verstehen uns doch, wir freuen uns auf jeden Fall beide uns zu sehen, man trifft ja sonst keinen hier. Anorak mit Kapuze trägt er, macht Sinn bei dem irren Wind der hier ständig weht. Es ist Meltemi Zeit. (Juli und August in der Ägäis)
Ein Tuch um die Ohren schützt vorm Wind, nach der stürmischen Nacht, bin ich froh um ein wenig Schallschutz. War das Tuch also doch kein sinnloses Gepäck. Beim Einpacken war ich unsicher, was alles mitmuss, bleibe ich ein, zwei oder drei Nächte? Kann ich vielleicht im Ochi- Schutzhaus übernachten oder findet sich eine Höhle?
Immer weiter den wegweisenden Steinhaufen nach. Die sind sehr gut, weil sie im Gegensatz zu den verblichenen roten Punkten viel besser sichtbar und vor allem schon von weitem zu erkennen sind. Zumindest jetzt noch. Ich baue natürlich fleißig daran weiter, schon allein aus Dankbarkeit dafür, dass sie mir den Weg zeigen.
Es geht nicht mehr nur bergauf jetzt, auch geradeaus und bergab ins nächste Tal und wieder bergauf und rum und auf einmal sehe ich einen Betonmischer und eine neue Straße und es staubt und der Wind bläst mir den Staub ins Gesicht. Ein Bagger, ein Lader, es bleibt mir nichts anderes übrig ich muss auf diese Straße, es ist der Weg zum Ochi. Es widerstrebt mir! Lkws fahren die Straße hinab, ich verstecke mich am Straßenrand. In einem Affentempo ziehen dunkle Wolken über den Berghang, der Wind pfeift. Wenn ich dieses Schauspiel nicht schon wochenlang verfolgt hätte, würde ich sofort umdrehen, aus Angst davor, dass gleich ein übles Gewitter losbricht. Aber die Wolken fallen nur auf der anderen Seite ins Tal und lösen sich federleicht im strahlend blauen Himmel wieder auf. Die kalte Luft fällt wieder runter in die Wärme, die Temperatur liegt hier über demTaupunkt (liegt die Temperatur unter dem Taupunkt bilden sich Wolken), ach, das erklärt Andy besser als ich, auf jeden Fall weiß ich, dass keine Gefahr droht. Trotzdem zücke ich bei dem Anblick nochmal mein Handy, Wetterapp: 0%Regenwarscheinlichkeit, 29° Celsius, alles gut, keine Ausreden! (Erklärung „Wolkenbildung“ von Andy, siehe Anhang)
Weiter die hässliche, staubige Teerstraße entlang in Richtung Gipfel. Der Wind bläst mir so stark entgegen, dass ich mich schräg nach vorne beugen muss, den Blick gesenkt um dem Staub zu entkommen. Oh nein, eintönige Teerstraße, Qual! Dann sehe ich mehr Baumaschinen und Arbeiter mit Staubmasken in langärmliger Kleidung, beängstigend schaun die aus. Einer kommt auf mich zu, hebt die Hand, fragt ob ich nach xyz will, ja will ich, er kann nur den Gipfel meinen, der Schäfer hat vorhin die gleichen Worte benutzt, ich nicke, er deutet in die Richtung in die ich gehen soll und warnt mich, dass gerade von hinten der nächste Lkw angerauscht kommt. Man hört ihn nicht, so laut tost der Wind.
Warum zum Geier bauen die hier oben so viele Straßen?! Es werden auch ordentlich Kabel herauf transportiert, vielleicht wollen sie ja Windräder aufstellen.
Rechts ist ein Wald zu sehen, ja tatsächlich ein Wald, selten genug in der Gegend und dann hier oben, magisch irgendwie, obwohl erklärlich, weil natürlich die Wolken hängenbleiben und abregnen. Links neben mir war auch mal ein Hain. Er wirkt heilig obwohl bis auf einen Baum alle Bäume tot sind. Sie sind oder waren so dick und groß, bei diesen Bedingungen hier müssen sie uralt gewesen sein. Der Nebel zieht durch die toten Bäume, so mystisch… und direkt daneben eine üble Baustelle. Ob die Bäume wohl schon vorher tot waren? Oder durch den Stress hier oben gestorben sind?
Endlich wieder ein Wanderweg mit den vertrauten Steinhaufen. Ich bin in den Wolken angekommen und denke an Johannes dem ich davon erzählen werde. Es zieht immer mehr zu. Ich berühre die Gräser und Pflanzen, alle sind nass, langsam wird auch meine Kleidung nass, es tropft von meinen Haaren. Die Steinhaufen ergeben bei der verminderten Sicht nun noch viel mehr Sinn!
Nebelschwaden ziehen vorbei, und ja, man kann sich dem Eindruck nicht erwehren, wie Feen, wie Geister. Es wird immer noch mystischer und nasser und kälter und auch ein wenig unheimlicher.
Von Steinhaufen zu Steinhaufen, manchmal sehe ich jetzt die nächsten kaum mehr. In einem großen Steinfeld sind Eisenstangen eingeschlagen in 10 Meter Abständen, das ist gut, die Haufen würden in dem Geröll untergehen. Wieder Felsen keine Eisen mehr, wieder Steinhaufen, wo sind die nächsten? Ich verliere teilweise die Orientierung und bin dankbar um meine Maps.me App, die mir die Richtung wieder weist. Ganz schön gruselig im Nebel bei diesem wahnsinnigen Wind.
Laut Karte sollte hier als nächstes ein Dorf kommen mit Kirche. Ein Dorf?! Hier???
Und ja tatsächlich, endlich, total durchnässt und schon am frieren komme ich dort an. Es ist natürlich ein altes Dorf, dort lebt keiner, ob es je ein normales Dorf war? Die Häuser sind teilweise aufgebaut wie das Dragospiti das wir schon gesehen haben, es gibt mehrere dieser alten Bauwerke im südlichen Evia - unten kleinere Steine, die nach oben zusammenlaufen und dann große Platten am First. Die Kirche sieht auch so aus, ich öffne die Tür, der Dunst zieht in Schwaden hinein, draußen tobt der Meltemi, ein irres Bild! Spoky! Mich gruselt, mir ist gar nicht so nach weitergehen, erstmal Pause, etwas essen und trinken.
Wenn nicht der nächste Spot „Dragonseyes“ wäre! (Das besterhaltenste und größte Dragospiti auf der Insel) Ich muss weiter, ich will dahin! Dann raus ins Inferno aus heulendem Wind und nassen Böen. Mittlerweile sind die Steine glitschig, es riecht übrigens überall nach Ziegenkacke, der ganze Boden ist voll feuchter Ziegenkacke. Konzentrieren, nicht ausrutschen. Es tropft von den Felsen in Pfützen und ich sehe kaum 5m weit. Verlaufe mich, drehe wieder um, sehe nach meinem blauen Pfeil in der App, weil ich sonst nichts mehr sehe.
Da ist es! Dragonseyes! Dragospiti. Wow, geschafft! Hinein, Ruhe, kein sausender Wind mehr, Rucksack runter, alles was ich dabei habe ziehe ich an, auch wenn es nass ist, mir ist kalt. Das Dragonseyes ist ein Haus aus riesigen Felsblöcken erbaut, die Decke ist teilweise eingestürzt, die Blöcke liegen noch rum. Unglaublich was die hier gebaut haben. Wofür? Wer hat das gebaut? Die Wissenschaftler wissen es auch nicht, noch nicht mal wann, es gibt viele Spekulationen, für mich wenig einleuchtende. War es ein Unterschlupf für Schäfer oder wurden es von den Sklaven gebaut, die hier am Berg für die Römer Säulen aus dem Fels geschlagen haben als Unterkunft. Alles wenig glaubhaft. Ich bin überzeugt, dass es spirituellen Hintergrund hat, wofür sonst dieser Aufwand, wenn nicht für die Götter? Man muss sich nur umsehen und fühlen, völlig klar, ein magischer Ort!
Ich muss weiter wenn ich noch zum Gipfel will, bin fast da, also noch einmal hinaus in den tobenden, nassen Sturm. Weiterhangeln, teilweise auf allen Vieren, bloß nicht ausrutschen! Wohin würde ich rutschen? Es geht runter aber wohin? Ich sehe nichts.
Angekommen. Ich robbe mich auf große Felsplatten hinauf, krieche in eine Badewanne mit Wasser, es tost nur noch um mich herum. Schalen und Schalen. Kreisrunde Vertiefungen neben der Wanne, ich habe euch bereits davon erzählt, und ja, klar, sie sind hier oben, überall! Ich wusste es und wollte es doch unbedingt auch sehen, da sein. Ich hangle mich zum offiziellen Gipfel, eine viereckigen Säule mit Höhenangabe, umringt von einer Mauer aus kleineren Steinen und lege meine Stirn auf den nassen Stein. Geschafft, noch einmal. Mein Blick fällt auf mehr Schalen in den Felsplatten ringsherum. Auch auf dieser Felsplatte will ich noch sein. Der Wind schreit mir entgegen, ins Gesicht, als wolle er sagen, was zum Teufel willst du hier? Ja ich weiß, dass ich nichts weiß. Ich werde gleich - wieder gehen…
Es ist soweit, ich rutsche, vom Wind getrieben durch Ziegenscheiße hinab. In welche Richtung?! Oh mein Gott es geht so tief hinab ins Nebelnichts. Von hier kann ich nicht gekommen sein. Falscher Weg, umkehren. Ein bisschen Angst haben. Noch einmal nach dem blauen Pfeil sehen, zurückfinden. Zum Dragonseyes und weiter, ein paar Steine, Herzen finden, auf Haufen legen, die Gebete die ich mitgebracht habe aussprechen und weiter hinab. Wo war das Dorf? War ich schon im Dorf? Nein. Wieder falsch. Ja da hinter, über dem Felsen da ist das Dorf. Durch die gespenstischen Ruinen gehe ich weiter hinab, noch ein paar Steingebete und dann weniger Wind, nur noch nasser Nebel. Es ist gut. Keine Angst mehr, ich werde langsam, sicher wieder nach unten gelangen. Noch einmal die Atmosphäre genießen. Alles aufsaugen, bevor ich wieder zur Baustelle komme, zum toten Hain, zur endlosen Teerstraße, durch die Täler zurück.
Bin ich tatsächlich von hier gekommen? Es sieht so anders aus. Ja doch. Es ist wieder warm, dann heiß, der Wind trocknet in Windeseile alle Klamotten, gut so, ich spüre meine Knie, einfach weitergehen, nur nicht umknicken, langsam Schritt für Schritt im heißen Wind hinab.
Fast unten begegnet mir eine Gruppe junger Franzosen mit einer Bergführerin, sie wollen im Ochi-Haus übernachten. Die haben den Schlüssel! Ich hatte auch überlegt dort zu nächtigen, war natürlich alles verriegelt, was soll´s. „How was it?“- „It was amazing!“ „Was it very windy?“ - „It was very wett!“ „Was it dangerous?“ - „ I don´t konw. For me it was enough!“ „Good luck!“ „Have a good time!“
Zwischenstopp an meinem Schlafplatz von letzter Nacht. Nein, ich will nicht noch eine Nacht bei Sturmgebraus auf harten Steinen schlafen. Ich gehe lieber weiter nach Myli in den schönsten Biergarten den ich je gesehen habe, über der Schlucht unter den alten Platanen. Die Wirtin weiß schon, dass mir das Alpha Bier von den griechischen Bieren am besten schmeckt und fange an zu schreiben. Unten in Karystos schreibe ich zu Ende und jetzt freue ich mich auf den Heimweg auf meine Männer und mein Bett!
lieben Gruß,
Eva
Anhang:
Wolkenbildung über dem Mt. Ochi,
Es ist eigentlich ganz einfach. Die Bodennahe Luft, welche mit hoher Geschwindigkeit aus Nord heranzieht, hat, sagen wir, etwa 30°. Ein Kubikmeter Luft mit einer Temperatur von 30° kann etwa ziemlich genau 30g Wasser aufnehmen ohne das man das sehen würde. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasser kann sie aufnehmen. Jetzt muss unsere warme und feuchte, bodennahe Luft aber über das orographische Hindernis, den Mt Ochi, und kühlt dabei, auf dem Weg zum Gipfel, unweigerlich ab. Aufsteigende Luft kühlt immer ab. Und je kälter Luft wird, desto weniger Wasser kann Sie speichern. Die Temperatur der Luft sinkt unter den Taupunkt und es kommt zu Kondensation. Das enthaltene Wasser wird sichtbar. Wolken bilden sich. Je weiter die Luft jetzt aufsteigen muss, desto mehr Wolken bilden sich. Weil die Menge an Wasser, welche mit der Luft transportiert wird immer die gleiche bleibt, die Luft aber mit der Abkühlung immer weniger aufnehmen kann, bilden sich immer mehr Wassertropfen, die immer größer werden und irgendwann, weil zu schwer, einfach zu Boden fallen. Jeder kennt das: „Die Wolken regnen sich an der Windzugewandten Seite des Berges ab“.
Jede Wolke die es jetzt aber über den Gipfel schafft, löst sich kurz danach wie von Geisterhand auf. Weil die Luft jetzt einfach wieder nach unten fallen kann, sich dabei wieder erwärmt und das verbleibende Wasser einfach wieder aufnimmt. Also unsichtbar macht. Und so ist der Gipfel des Mount Ochi oft in Wolken gehüllt, obwohl überall sonst blauer Himmel ist. lg, Andy
wie wunderbar! Das ist ja der Hammer =)
Da kuckt man mal ein paar Wöchlein nimma und plötzlich so viel tolle neue Berichte =)
Wie schön! So tolle Eindrücke und Bilder. Vielen Dank fürs Teilhaben lassen !
Beste Grüße und auch noch spät nachträglich die besten Geburtstagswünsche aus dem kleinen Pattendorf!
Moni und Timo
Hallo Moni,
Dankeschön!
Es hat Spaß gemacht den Artikel zu schreiben. Es war schön auf dem Weg daran zu denken, dass ich die Fotos und Erlebnisse mit Leuten teilen kann, die dann Freude beim anschauen und lesen haben!
Bis dahin liebe Grüße von uns an eich!
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